Ich glaube, dass dieses Thema fast jede Mama beschäftigt, bei der ein zweites Kind unterwegs ist. Und das ist definitiv kein Grund sich zu schämen! Ich möchte euch mit diesem Beitrag ein wenig über die Zeit während meiner 2. Schwangerschaft und der Zeit nach der Geburt erzählen. Denn auch ich hatte anfänglich große „Startschwierigkeiten“ und so schlimm es auch klingen mag, große Angst meinen Sohn nicht so lieben zu können wie meine Tochter. Aber fangen wir mal am Anfang an.
Mein Mann und ich waren uns anfänglich nicht ganz einig, wann der perfekte Zeitpunkt wäre um mit dem „Basteln“ unseres zweiten Kindes zu beginnen. Er und seine Schwester sind nur ein bisschen mehr als ein Jahr auseinander und so stellte er sich es auch bei seinen Kindern immer vor. Bei mir ist das ein bisschen anders. Meine Schwester und ich haben einen Altersunterschied von 8 Jahren und für mich kam es nicht in Frage so früh nach der Geburt meiner Tochter schon wieder ein Kind zu bekommen. Wir haben uns dann letztendlich einigen können, einen Kompromiss geschlossen und uns entschieden, mit dem Basteln zu beginnen als unsere Tochter 1 ½ geworden ist.
Es hat nicht lange gedauert und ich war wieder schwanger. Anfänglich war meine Freude sehr groß und auch die ganze Familie hat sich sehr auf den Familienzuwachs gefreut. Meine Tochter und ich hatten von Anfang an eine sehr enge Bindung, was sicher auch viel daher kommt, dass sie in der 32 Schwangerschaftswoche auf die Welt kam und daher auch immer ein wenig „überbehütet“ wurde. Meine Schwangerschaft verlief leider auch beim zweiten Mal eher schlecht und somit quälte mich schon früh die Frage wie wir das meistern würden wenn auch mein Sohn zu früh auf die Welt kommt und für längere Zeit im Spital sein muss. Der Gedanke das Leonie dann mit Sicherheit viel zu kurz kommen würde und ich mich nicht mehr so gut um sie kümmern könnte, hat mich zu dieser Zeit schon fast in den Wahnsinn getrieben.
Umso länger ich schwanger war, umso mehr wuchs die Angst in mir. Und tief in mir drinnen dachte ich mir immer öfter, dass es doch nicht so gut war so schnell wieder schwanger zu werden. Mein Mann machte sich schon sehr große Sorgen weil ich immer wieder genau wegen diesen Gedanken und Ängsten zu weinen begonnen habe und im Laufe der Zeit immer negativer und unglücklicher wurde. Es gab Situationen in denen ich – ich kann mir sowas heute gar nicht mehr vorstellen – tatsächlich gesagt habe, dass ich das Kind in meinem Bauch nicht will. Heute habe ich ein richtig schlechtes Gewissen wegen genau diesen ungerechten und bösen Gedanken. Aber in diesen „schlechten“ Momenten konnte ich nicht anders denken, egal wie sehr ich es auch probiert habe.
Jetzt weiß ich, eine zweite Schwangerschaft nimmt man immer anders wahr als die erste. Es ist alles nicht mehr ganz so aufregend und ruhiger weil es einfach nicht mehr das erste Mal ist und vor allem weil es ja schon ein Kind gibt welches Aufmerksamkeit und Fürsorge braucht.
Als mein Sohn dann auf die Welt kam war das Drama für mich perfekt. Leider war er mindestens vier Wochen zu lange im Bauch und kam mit sage und schreibe 58 cm und knapp 4900 Gramm auf die Welt. Die Aufregung war nicht nur bei uns als Eltern groß, sondern auch im Krankenhaus waren alle ziemlich entsetzt dass eine so kleine Frau wie ich (1,54m klein) einen so großen Buben auf natürlichem Weg gebären kann. So wurde unser Spatz prompt von allen Hebammen, Ärzten und Schwestern begutachtet und liebevoll „der Bürgermeister“ genannt. Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass das für mich eine absolute Horror-Geburt war, die ich erst mal verarbeiten musste. Schon im Krankenhaus merkte ich, dass immer mehr komische Gefühle in mir aufstiegen. Irgendwie saß der Gedanke in meinem Kopf fest, dass mein Sohn nicht so ist wie er sein sollte. Er sah nicht aus wie ein Baby welches gerade mal ein paar Stunden alt ist, sondern eher wie ein 1-2 Monate altes Baby. Das war in dem Moment einfach nicht richtig für mich. Diese Gefühle waren– im Nachhinein gesehen – komplett irrational und falsch. Ich hätte einfach nur froh sein müssen das mein Sohn kerngesund war und nicht ständig daran denken das mit ihm etwas nicht stimmt.
Leider verstärkte sich diese negative Situation für mich immer mehr und ich entwickelte eine gewisse „Abneigung“ gegen mein Baby. Von den nicht vorhandenen Muttergefühlen mal ganz abgesehen. Zuhause angekommen merkte auch der Rest der Familie recht schnell, dass mit mir und vor allem mit der Bindung zu meinem Sohn, irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Ich war direkt erleichtert wenn ein anderes Familienmitglied sich um mein Baby gekümmert hat und ich Zeit mit meiner Tochter verbringen konnte, so als hätte ich nie ein zweites Kind bekommen. Unser anfänglich so ausgeglichenes und ruhiges Baby hat immer öfter begonnen zu schreien und – in meinen Augen – Terror zu machen. Ich hab nur noch geweint. Ständig hatte ich das Gefühl, dass genau dieses Geschrei mich davon abhalten würde, ausreichend Zeit mit meiner Erstgeborenen verbringen zu können. Und so wuchs die Abneigung jeden Tag mehr und ich hatte immer größere Angst dass meine Tochter deswegen zu kurz kommt, unser Verhältnis schlechter wird und sie mir das irgendwann übel nehmen wird. Da ich ja definitiv dachte, dass etwas mit meinem Baby nicht stimmte bin ich auch zu einem Osteopathen gegangen, der mir aber nur sagen konnte, dass er meinen Sohn für einen sehr ausgeglichenes und normales Baby hielt. Mein Mann hatte in dieser Zeit leider auch wenig Verständnis für meine Gefühle, er konnte mich einfach nicht verstehen. Jetzt weiß ich wie schwer diese Zeit auch für ihn gewesen sein muss, wenn die Mutter seiner Kinder das Zweitgeborenen offensichtlich nicht richtig lieben konnte.
Ich kam aus dem Unglücklich sein und Weinen irgendwann überhaupt nicht mehr raus und das einzige das mich auch noch von meiner Tochter entfernte war genau diese „dauerdepressive“ Stimmung und Lustlosigkeit. Wie soll eine nicht mal 3 Jährige so etwas auch verstehen können? Sie hatte überhaupt kein Problem mit ihrem Bruder, ganz im Gegenteil die Liebe war von Anfang an grenzenlos und sie war sehr froh jetzt eine große Schwester sein zu können.
Meine Mutter machte sich sehr große Sorgen aufgrund dieser Situation und „schleppte“ mich eines Tages zu einer Beratungsstelle für Frauen mit Spezialisierung auf Wochenbettdepressionen. Ich und eine Wochenbettdepression? Das kann doch gar nicht sein oder? Aber doch, genau so war es! Die Gespräche mit der Psychologin haben mir – trotz anfänglicher Zweifel – wirklich sehr gut getan und es ging ab diesem Tag stetig bergauf. Ich erkannte dass mein Verhalten der Grund für das viele weinen meines Sohnes war, denn natürlich merkte auch mein Baby diese Abneigung. Tag für Tag wuchs die Liebe zu meinem Sohn und es entwickelte sich eine ganz normale und tolle Mutter-Kind-Bindung. Ich lernte schnell meine Tochter in viele Dinge mit einzubinden und vermittelte ihr ständig wie wichtig sie für mich und den Rest der Familie ist, sodass sie einfach nie mit Eifersucht kämpfen musste. Wir haben zum Beispiel begonnen gleichzeitig unsere Babys (bei ihr war es ihre heiß geliebte Baby Annabell) zu stillen oder zu wickeln. Sie war einfach immer mit dabei. Man lernt mit zwei Kinder auch gewisse Dinge einfach gleichzeitig zu machen. So habe ich teilweise an einer Seite meinen Sohn gestillt und auf der anderen Seite mit meiner Tochter gekuschelt. Wir wurden als Familie ein super Team und irgendwann war es dann so als wäre es nie anders gewesen. Ich weiß jetzt, dass ich meinen Sohn ganz sicher nicht weniger liebe als meine Tochter!
Natürlich gibt es immer wieder Situationen die dich, auch als erfahrene Mutter, komplett an deine Grenzen bringen werden, das ist völlig normal. Allerdings müssen wir als Mütter immer wissen das wir großartig sind und auch täglich großes Leisten. Wir dürfen auch mal erledigt oder verzweifelt sein, denn Kinder großziehen ist mit Sicherheit kein Zuckerschlecken. Es ist auch in Ordnung, wenn du am Abend froh bist dass dein Kind/deine Kinder endlich im Bett sind und schlafen. Denn auch du brauchst Zeit um deine Kräfte wieder aufzuladen und auch einfach mal Zeit für dich zu haben. Das ist einfach wichtig um jeden Tag aufs Neue eine gute und vor allem glückliche Mutter sein zu können.
Abschließend kann ich euch noch sagen, lange Rede kurzer Sinn: JA! Ihr werdet eure zweiten/dritten Kinder definitiv genau so lieben können wie eure ersten. Die Liebe wird nicht halbiert sondern einfach Verdoppelt! Und auch wenn ihr euch in der ersten Zeit denkt dass das nicht so ist, liegt das mit Sicherheit an den Hormonen die euch beeinflussen. Lasst euch beraten und sucht euch im Ernstfall einfach Hilfe von Außenstehenden. Es gibt extrem viele Stellen die ihr auf suchen könnt und wo euch, ohne irgendwelche Vorwürfe, geholfen wird. Einfach immer stark bleiben, ihr seid toll!
Bis bald!